Technisches Marketing in der Baubranche – nur wer die Schritte kennt, erzeugt echte Wirkung
- Jörg Appl
- 21. Nov. 2024
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 1 Tag
Kathrin Mertens, technische Entscheiderin auf der Baustelle:
„Ich brauche keine Imagekampagne. Ich brauche Lösungen, die in meinem Projekt funktionieren – und ein Marketing, das die Realität der Baubranche versteht.“

Technisches Marketing braucht Struktur – nicht Einzelkämpfer, sondern vernetzte Prozesse
Ich schau auf euer Unternehmen – egal ob Bauunternehmen, Bauzulieferer oder Ingenieurbüro. Und ich sehe: Marketing. Irgendwo im Eck. Macht PDFs, wenn der Vertrieb ruft.
Was ich nicht sehe: eine Funktion, die eingebunden ist. Die euer technisches Wissen so organisiert, dass es bei mir ankommt – zur richtigen Zeit, im richtigen Projekt, mit der richtigen Tiefe.
Was das heißt? Ganz einfach:
Technisches Marketing gehört nicht in die Dekoabteilung. Es gehört in die Linie.
Mit Schnittstellen zu Produktentwicklung, Anwendungstechnik, Vertrieb und Kommunikation.
Mit klaren Rollen.
Mit festen Prozessen.
Mit echter Verantwortung.
Im Idealfall habt ihr:
eine Person, die Marktinformationen systematisch sammelt.
Nicht weil’s im Titel steht, sondern weil sie sauber recherchiert, Daten liest, Muster erkennt.
Wirtschaftlich denkend. Systemisch analysierend.
jemanden, der die Bedürfnisse meiner Rolle versteht.
Der weiß, wie ich denke, wie ich plane, wann ich entscheide.
Ob Architekt, Bauleiter oder Quereinsteiger mit Prozessblick – Hauptsache, die Empathie stimmt.
eine Stelle, die daraus technische Inhalte baut.
Kein Geschwafel. Sondern Texte, die Anforderungen, Normen und Nachweise verständlich machen.
Idealerweise von jemandem, der Technik denkt und schreiben kann.
und ein Team, das ausspielt, auswertet und rückkoppelt.
Mit digitalem Mindset, Projektverständnis und dem Mut, KPIs ernst zu nehmen.
Ob aus Marketing, Vertrieb oder IT – egal.
Wichtig ist: die Prozesse stehen. Und einer hat den Hut auf.
Und wie sieht’s stattdessen oft aus?
Ein zusammengewürfelter Haufen:
Technische Experten mit Präsentationsphobie.
Ein bisschen Vertrieb, der lieber Produkt als Nutzen erklärt.
Und oben drauf Kampagnen-Marketing – mit Buzzwords, aber ohne Plan.
Das Ergebnis?
Zielgruppenanalyse, Content, Schulung, interne Überzeugung, Websitepflege – alles gleichzeitig, alles irgendwie. Aber nichts mit System.
Keine Verantwortung. Keine Struktur. Keine Wirkung.
Und dann wundert ihr euch, warum die Kommunikation bei mir nicht ankommt?
Wenn ihr technisches Marketing ernst meint, dann müsst ihr es organisieren wie ein Projekt.
Mit Budget. Mit Verantwortung. Mit Schnittstellen. Mit Erfolgskontrolle.
Sonst bleibt’s beim Aktionismus.
Und den erkenne ich sofort.
Technisches Marketing in der Baubranche beginnt mit sauberer Marktanalyse
Ich werde ständig mit Broschüren zugeballert.
Aber weißt du, was ich fast nie sehe?
Ein Angebot, das mich wirklich verstanden hat.
Mich – und den Kontext, in dem ich entscheide.
Warum?
Weil vorher keiner richtig hingeschaut hat.
Technisches Marketing beginnt nicht mit Bauchgefühl.
Und auch nicht mit hübschen Personas.
Es beginnt mit Verständnis für das System – und für die Rollen darin.
Klar gibt’s Rollen:
Architekt. Bauherr. Fachplaner. Prüfingenieur. Ausführung. Betreiber.
Aber die entscheiden nicht allein. Und nicht zur gleichen Zeit.
Die Frage ist nicht: Wen spreche ich an? Sondern: Wer ist wann im Projekt entscheidend für meine Lösung – und was braucht er in diesem Moment, um mich ernst zu nehmen?

Wie sieht saubere Informationsgewinnung aus?
Im besten Fall schaut ihr auf echte Projekte.
Nicht nur auf die, die ihr gewonnen habt – sondern gerade auf die, die ihr verloren habt.
Und dann stellt ihr euch unbequeme Fragen:
Warum wurde unser Angebot nicht eingesetzt?
Wer genau hat’s abgelehnt – und warum?
Gab es technische Vorbehalte? Wirtschaftliche? Einfach fehlende Bekanntheit?
Dann geht ihr tiefer.
Ihr nehmt Leistungsverzeichnisse aus verschiedenen Projekten – und schaut:
Wo taucht unser Angebot auf? Wo nicht?
Wer hat’s ausgeschrieben? Wer hat’s ersetzt?
Wie oft stehen wir als gleichwertiges Produkt drin – und warum vielleicht nicht?
Wenn ihr klug seid, strukturiert ihr diese Infos.
Nicht in PDFs, die keiner liest.
Sondern in einer internen Datenbank, gefüttert mit echtem Projektwissen:
Ausschreibende Stelle
Planungsbüro
Projektart
Eingesetzte Produkte
Entscheidungsgründe
Widerstände
Kommentare von Fachplanern und Prüfern
Diese Datenbank ist Gold wert.
Sie zeigt euch: Wer entscheidet wirklich – in welchem Kontext – mit welchen Argumenten.
Und wenn ihr’s richtig macht, speist ihr dieses Wissen laufend:
mit Erkenntnissen aus dem Vertrieb
mit Fragen aus der Anwendungstechnik
mit Feedback aus Produktschulungen
mit Rückmeldungen von Planertagen
mit Einsprüchen von Prüfingenieuren
Das ist kein One-Shot.
Das ist ein dauerhaftes System.
Eins, das sich in euer Unternehmen einschreibt – und eure Kommunikation erst tragfähig macht.
Und wie läuft’s stattdessen?
Ganz ehrlich?
Ihr googelt ein bisschen.
Beauftragt eine Agentur.
Die bastelt euch ein PDF mit netten Architektenfotos.
Und Personas wie „Innovativer Planer Ingo“ oder „Budgetbewusste Bärbel“.
Dann glaubt ihr, ihr kennt die Zielgruppe.
Sorry – das funktioniert nicht in der Baubranche.
Solche „Zielgruppenprofile“ bleiben blind für das Entscheidungsgeflecht, das in Projekten zählt.
Sie sehen nicht, dass Phasen wichtiger sind als Rollen,
dass Verantwortung situativ ist,
und dass Entscheidungen fast nie allein getroffen werden.
Und dann wundert ihr euch,
warum euer Angebot trotz Sichtbarkeit keinen Eingang in reale Projekte findet.
Technisches Marketing bedeutet: Angebot erstellen, kommunizieren, Nutzen vermitteln, rückkoppeln
Wenn das Fundament steht, beginnt die eigentliche Arbeit.
Technische Inhalte aufbereiten. Vertrieblich denken.
Aber systemisch bleiben.
Und genau hier trennt sich die Spreu vom Weichzeichner.
Wer in der Baubranche kommuniziert, muss die Sprache der Ingenieure sprechen.
Es geht nicht um „Benefits“.
Es geht um prüfbare Werte. Reale Einsparungen. Belastbare Nachweise.
Ohne die könnt ihr euch jede Kampagne sparen.
Aber es geht nicht nur um Inhalte.
Es geht um Angebote, die aus dem System heraus entstehen.
Nicht aus eurer PowerPoint-Strategie.
Das Angebot muss zur Rolle passen – nicht zur Werbebotschaft
Ein Tragwerksplaner braucht andere Informationen als ein Bauleiter.
Ein Architekt entscheidet anders als ein Prüfingenieur.
Und ein Fachplaner will nicht überzeugt werden –er will wissen, ob ihr sein Problem löst, ohne ihm ein neues zu machen.
Wenn ihr euer Angebot entwickelt, müsst ihr euch fragen:
Welche Rolle entscheidet wann – und warum?
Wo greift unser Angebot in den Projektablauf ein? Technisch, zeitlich, haftungsrechtlich?
Was erwartet diese Rolle an Fakten, Nachweisen, Schnittstellen?
Und wer muss die Lösung intern verteidigen können?
Wenn ihr das nicht beantworten könnt, ist euer Angebot nur ein Wunschkonzert.
Kommunikation heißt: gezielt, phasengenau, rollenspezifisch
Technisches Marketing muss dann liefern, wenn ich es brauche.
Nicht wenn eure Kampagne gelauncht wird.
Nicht wenn der Vertrieb gerade Luft hat.
Sondern im Takt des Projekts.
Das heißt:
LV-Textbausteine für den Fachplaner
Bemessungstools für den Tragwerksplaner
Montageanleitungen für die Ausführung
Zulassungen und Nachweise für den Prüfer
Ansprechpartner auf Augenhöhe für den Bauleiter
Und: eine Rückkopplungsschleife, die funktioniert.
Denn die Info, die ihr rausschickt, ist nur die halbe Miete.
Was kommt zurück? Was wird verstanden? Was bleibt offen? Wo klemmt’s?
Vermittlung heißt: den Nutzen im Kontext zeigen
Es reicht nicht, zu sagen: „Unser System spart Zeit.
“Wann? Für wen? In welcher Phase? Mit welchem Nachweis?
Ein Produkt, das auf dem Papier gut aussieht,
aber in Leistungsphase 5 oder 8 die Ausschreibung sprengt,
ist für mich unbrauchbar.
Wenn ihr echten Nutzen vermitteln wollt, müsst ihr:
an der richtigen Rolle ansetzen
den Projektkontext mitdenken
den Nutzen technisch belegen
Erst dann wird aus einem Produkt ein Angebot.
Und aus einem Angebot eine Entscheidung.
Technisches Marketing schafft Mehrwert – und projektbezogene Zufriedenheit, aber nur auf Zeit
Wenn Inhalt, Timing, Angebot und Kommunikation zusammenlaufen,
dann passiert manchmal das, was im Marketing gern romantisiert wird: Zufriedenheit.
Aber Vorsicht:
Ich bin technischer Entscheider, kein Markenfan.
Ich bin nicht an euch gebunden.
Ich bin an mein Projekt gebunden.
Wenn ihr dort geliefert habt – technisch, fachlich, organisatorisch – dann bin ich zufrieden.
Dann weiß ich: In diesem Projekt hat’s gepasst. Ihr wart zuverlässig, klar, lösungsfähig.
Das ist viel wert. Und ich merk mir das.
Aber:
Das heißt nicht, dass ich beim nächsten Projekt automatisch wieder bei euch lande.
Denn das nächste Projekt bringt andere Anforderungen, andere Rollen, andere Risiken.
Wenn euer Angebot dann nicht mehr passt – seid ihr raus.
Ohne Drama. Ohne große Erklärung.
Einfach raus.
Realistisches Szenario: Vertrauen auf Abruf
Letztes Projekt: Fassadenlösung von euch.
Montage lief glatt. Statik hat gepasst. Der Bauleiter war zufrieden.
Ich war es auch. Ich hatte das Gefühl: Die wissen, was sie tun.
Ihr wart auf meinem Zettel.
Nächstes Projekt: andere Geometrie, mehr Last, weniger Zeit.
Ich schau auf euer System – und sehe: nichts angepasst.
Keine neuen Bemessungstabellen.
Kein Planungsservice.
Die Website führt ins Leere.
Auf meine Rückfragen kommt nur: „Müsste eigentlich funktionieren.“
Tut’s aber nicht.
Und dann seid ihr raus.
Nicht aus Trotz. Nicht aus Emotion.
Sondern weil es systemisch nicht passt.
Beim dritten Projekt?
Da schau ich schon nicht mehr hin.
Kathrin sagt:
„Zufriedenheit ist kein Bonuspunkt. Sie ist temporärer Respekt.
Wenn ihr ihn verspielt, merkt sich das keiner als ‚Pech‘ – sondern als Systemfehler. Und dann war’s das.“
SYSTEM-CHECK: Hast du die Grundlagen des Technisches Marketing wirklich verstanden?
Denkfragen
Ist euer technisches Marketing als eigenständige Funktion mit klaren Rollen, Prozessen und Schnittstellen im Unternehmen bzw. Büro verankert – oder nur eine Maßnahme aus dem Kommunikationsplan?
Wisst ihr konkret, welche Rolle in welcher Leistungsphase über euer Angebot entscheidet – und was diese Rolle zu diesem Zeitpunkt genau braucht?
Kommuniziert ihr euren Nutzen projektphasenbezogen, prüfbar und kontextualisiert – oder formuliert ihr universelle Vorteile ins Blaue?
Gibt es bei euch ein System zur laufenden Rückkopplung aus echten Projekten – oder bleibt das Feedback im Posteingang stecken?
Wann war das letzte Mal, dass ihr eine verlorene Ausschreibung oder einen gescheiterten Kontakt systematisch ausgewertet und dokumentiert habt?
Realszenario
Ein Bauunternehmen hat euch im letzten Projekt berücksichtigt. Angebot hat funktioniert, Montage war glatt, der Bauleiter zufrieden.
Im Folgeprojekt wird’s komplexer – neue Anforderungen, anderer Zeitdruck.
Euer Angebot ist technisch nicht angepasst. Keine neuen Tabellen. Kein Planungstool. Auf Nachfrage: Schulterzucken.
Ergebnis? Ihr seid raus.
Beim dritten Projekt? Werdet ihr gar nicht mehr geprüft.
Nicht aus Emotion. Sondern aus Systemlogik.
Bullshit-Killer
❌ „Wir setzen auf langfristige Kundenbindung.
✅ Bindung entsteht durch Projekterfolg. Und endet, wenn’s nicht mehr passt.
Klarer Fokus: Du hast die Zielgruppe im Blick – Architekten und Fachplaner fühlen sich angesprochen.