top of page

Wie funktioniert die Baubranche – und warum reicht klassisches Marketing hier nicht aus?

  • Jörg Appl
  • 20. Nov. 2024
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 20 Stunden

Die Baubranche ist kein Markt mit Zielgruppen. Sie ist ein System mit Abhängigkeiten, Schnittstellen und Risiken. Wer das nicht versteht, kann sich sein Marketing sparen.

Technischer Entscheider aus der Baubranche blickt direkt in die Kamera, realistisches Porträt mit orangefarbener Tonung – Fokus: Verantwortung, Projektrisiko, technisches Marketing

Kein Markt, sondern ein System – die Baubranche aus der Sicht eines Entscheiders


Ich bin technischer Entscheider.

Ich denke nicht in Zielgruppen – ich denke in Abläufen. In Rollen. In Haftung.

Wenn ihr mir ein Angebot machen wollt – egal ob Produkt, Software oder Dienstleistung –egal ob von Bauunternehmen, Ingenieurbüros oder Bauzulieferern –dann müsst ihr wissen, wann es ins Projekt passt.

Und wohin.

Denn es reicht nicht, dass euer Angebot funktioniert. Es muss sich einfügen.

In bestehende Prozesse. In Planungsphasen. In Projektlogik.

Wenn das nicht funktioniert, bleibt euer Angebot draußen – unabhängig von Qualität, Innovation oder Preis.


Marketinglogik trifft Projektlogik – und verliert


Ich höre oft:

„Wir haben ein starkes Angebot – jetzt müssen wir es nur noch richtig vermarkten.“

Und dann kommt Werbung. Zielgruppenanalyse. Persona-Gebastel.

Aber hier ist die Realität:

Wenn ihr die Baubranche nicht versteht, braucht ihr gar nicht erst anzufangen.

Denn wer das System nicht versteht, versteht auch mich nicht.

Warum?

Weil in der Baubranche kein Beteiligter allein entscheidet.

Jede Rolle ist auf die andere angewiesen.

Jedes Angebot hat Auswirkungen auf mehrere Beteiligte.

Wenn ihr also nur den Architekten adressiert, aber den Tragwerksplaner ignoriert, scheitert ihr.

Wenn ihr mit dem Bauleiter sprecht, aber den Prüfingenieur nicht versteht, blockiert euch das System.

Und das meine ich mit:

Es verzeiht nichts.

Entweder ihr denkt das Gefüge mit – oder das Gefüge wirft euch raus.


Die Baubranche ist kein Markt – sie ist ein Gefüge aus mehreren Welten


Wenn ihr denkt, die Baubranche bestehe nur aus Bauunternehmen und Architekten,

dann habt ihr das System noch nicht gesehen.

Dieser Wirtschaftszweig ist mehr als nur Beton und Baustelle.

Er besteht aus dem Baugewerbe, aus Architektur- und Ingenieurbüros,

aus dem verarbeitenden Gewerbe – und zunehmend aus der Informationstechnologie.


Flussdiagramm zur Struktur der Baubranche als übergeordneter Wirtschaftszweig. Das Diagramm zeigt die vier zentralen Branchenzweige: Baugewerbe, Architektur- und Ingenieurbüros, verarbeitendes Gewerbe sowie die Erbringung von Dienstleistungen. Die Grafik veranschaulicht die Vernetzung dieser Sektoren und ihre Bedeutung für die Bauindustrie.
Abb.1 Die Baubranche ist der Schlüssel zur Planung und Umsetzung von Bauwerken – mit einer Kombination aus Gütern, Dienstleistungen und moderner Technologie.

Das ist keine homogene Zielgruppe.

Das ist ein interdisziplinäres Gefüge.

Und genau das macht Marketing hier so anspruchsvoll:

Jede dieser Welten hat ihre eigene Logik. Ihre eigene Sprache. Ihre eigenen Zwänge.

Wer das nicht versteht, kann keine Strategie entwickeln – nur nette Kampagnen.

Warum?

Weil Strategie bedeutet, Wirkung im System zu erzeugen.

Nicht Sichtbarkeit – Anschlussfähigkeit.


Eure Zielgruppen sind meine Mitspieler – nicht meine Gegner


In euren Folien steht oft:

Architekt. Bauleiter. Tragwerksplaner. Prüfingenieur.

Wie Zielscheiben. Wie Märkte.

Aber so ist das nicht.

Wir arbeiten zusammen – oder gar nicht.

Was ihr einem verspricht, muss beim nächsten auch halten.

Und zwar unter dessen technischen Randbedingungen,

die vielleicht ganz anders sind als meine.

Sonst steh ich als der da,

der was durchgewunken hat, was beim nächsten blockiert.

Und das passiert mir genau einmal.


Wer die Sprache der Baubranche nicht spricht, wird nicht gehört


Und nein – Sprache heißt nicht nur: Fachbegriffe dreschen.

Aber wenn ihr sie benutzt, dann bitte auch die richtigen.

Bei uns geht es um

Bemessungswiderstände, Hemmung, Teilsicherheitsbeiwerte und Zuschläge –nicht um Disruption, Scalability oder Customer Centricity.

Ich merke sofort, ob ihr euch auskennt –oder einfach nur blink-blink macht.

Sprache heißt in unserer Welt:

Timing. Verständnis. Kontext.

Ich bin in Leistungsphase 2? Dann red mit mir über Varianten und Konzepte.

Ich bin in Phase 6? Dann will ich Details. Schnittstellen. Nachweise.

Wer mir in der falschen Phase das falsche Angebot präsentiert, verliert.

Nicht weil es schlecht ist –sondern weil ich es nicht einordnen kann.

Oder schlimmer:

Weil ich es falsch einbaue.

Und dann haftet niemand – außer mir.


Nennt es technisches Marketing – aber dann macht’s bitte auch technisch


Mir ist egal, wie ihr es nennt.

Technisches Marketing? Von mir aus.

Aber nur, wenn es mir zeigt, wie ich mit eurem Angebot sicher durchs Projekt komme.

Wie ich damit technische Randbedingungen löse.

Wie ich das Ding sauber ins System integriere –und meine Partner verstehen, warum euer Angebot nicht nur nützlich,

sondern tragfähig ist.

Technisches Marketing ist dann sinnvoll,

wenn ich das Angebot so einordnen kann,

dass es mich im Projekt voranbringt –und niemanden im System ausbremst.


FAZIT:


Wer die Branche nicht versteht, wird nie Teil von ihr.

Ihr wollt rein in die Bauwelt?

Dann kommt nicht mit Copy-Paste-Marketing.

Kommt mit echtem Systemverständnis.

Wisst, wer wann was entscheidet.

Wer wem Rechenschaft schuldet.

Wer wann blockiert – und warum.

Ihr verkauft hier keine Bohrmaschine,

die jemand im Baumarkt kauft und sofort nutzt.

Ihr verkauft ein Angebot,

das in ein Bauwerk eingeplant, abgestimmt, geprüft und verantwortet werden muss –technisch, rechtlich, normgerecht.

Ich entscheide nicht allein.

Ich entscheide im System.

Und solange ihr dieses System nicht versteht,

bleibt euer Angebot draußen –egal wie gut es ist.


Vertiefend empfohlen:

Bundesverband der Deutschen Bauindustrie – bauindustrie.de

 

Und jetzt zu dir: Wichtige Lektionen – Was technisches Marketing in der Baubranche braucht

 

1. Die Baubranche ist kein Markt, sondern ein System

  • Verstehen statt verkaufen: In der Baubranche geht es nicht nur um den Verkauf von Produkten. Es geht um das Verstehen eines komplexen Systems von Planern, Ingenieuren und Bauleitern, die alle Teil eines größeren Entscheidungsprozesses sind. Wenn du dies nicht verstehst, wirst du nicht erfolgreich sein.

 

2. Technisches Marketing muss den gesamten Prozess abbilden

  • Technische Klarheit als Schlüssel: Klassisches Marketing funktioniert hier nicht, weil es den technischen Aspekt der Baubranche außer Acht lässt. Dein Marketing muss echt, konkret und für Entscheider relevant sein – mit Zahlen, praktischen Beispielen und einfachen, umsetzbaren Lösungen.

 

3. Zielgruppen existieren, aber anders in der Baubranche – es geht mehr um Phasen und Akteure

  • Marketing muss an die Phasen des Bauprozesses angepasst werden: In der Baubranche redest du nicht mit einer Zielgruppe, sondern mit verschiedenen Akteuren in verschiedenen Phasen des Bauprozesses. Dein Marketing muss maßgeschneidert für jede Phase sein und den jeweiligen Akteur in der richtigen Reihenfolge ansprechen.

 

4. Die HOAI und die Phasenlogik müssen Teil deiner Strategie sein

  • Verstehen, wann du an welchen Akteur herantrittst: Die HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) strukturiert die Baubranche und beeinflusst, wann Entscheidungen getroffen werden. Dein Marketing muss auf diese Phasen und Entscheidungszeitpunkte abgestimmt sein, um relevant zu bleiben.

 

5. Baubranche ist risikobehaftet – und das Marketing muss Vertrauen schaffen

  • Vertrauen ist der entscheidende Faktor: In der Baubranche entscheiden sich Fachleute oft nicht für das „beste“ Produkt, sondern für das Produkt, das am wenigsten Risiko verursacht. Dein Marketing sollte nicht nur Vorteile zeigen, sondern verlässlich und risikofrei kommunizieren.

 

 

SYSTEM-CHECK: Hast du die Branche wirklich verstanden?


Denkfragen

Wer trägt die Verantwortung, wenn euer Angebot im Projekt scheitert?

Welche technischen Randbedingungen gelten für eure Zielgruppen – und wo widersprechen sie sich vielleicht?

In welcher Projektphase ist euer Angebot anschlussfähig – und für wen?


Realszenario

Ihr habt eine Softwarelösung für Tragwerksplaner.

Euer Vertrieb spricht mit Bauleitern.

Der Prüfingenieur erfährt nichts – und lehnt später ab.

Ergebnis: Totalausfall. Nicht wegen der Technik –sondern weil das System nicht verstanden wurde.


Bullshit-Killer 

„Unser Angebot richtet sich an alle am Bau Beteiligten.“

Falsch.

Wenn ihr nicht wisst, wer entscheidet, wann ihr reinmüsst

und wie ihr technische Hürden nehmt,

dann seid ihr kein Teil des Systems –sondern nur ein weiterer Störfaktor.



NÄCHSTER SCHRITT:

Wenn du das System kennst – wie sprichst du dann mit ihm?

Du weißt jetzt, warum klassisches Marketing in der Baubranche ins Leere läuft.

Aber wie entwickelst du eine Kommunikation,

die sich nicht anbiedert,

sondern wirklich anschlussfähig ist?




2 Comments

Rated 0 out of 5 stars.
No ratings yet

Add a rating
KaAp
vor 6 Tagen
Rated 5 out of 5 stars.

Wunderbarer und sehr verständlicher Beitrag. Bin schon gespannt auf die nächsten 🤩

Like

Guest
Nov 19, 2024
Rated 5 out of 5 stars.

soooo geil ! Danke für die Info ich freu mich auf mehr !

Like
bottom of page